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Der Lauch in der Suppe

Statement zum Innovationspreis der freien Kulturszene Wiens von Thomas Jelinek


Ist die beste SHOW wirklich der Kampf ums Geld? Äußert sich in der zunehmenden Dichte von Unterhaltungsformaten, vor allem TV-Shows, die außer dem struggle for life kein Thema mehr finden, nicht lange schon eine Haltung der kulturellen Kapitulation? Gibt hier die Kraft menschlicher Kreativität - die ja das Merkmal unserer Spezies sein soll angesichts ideenverlassener Sensationssucht klein bei?

Im Umfeld steigender Anzahl mediengetragener Casting und Gewinnshows, in ganz Europa, wo Menschen fallweise bis an die Grenzen der Erniedrigung gehen, um durch Geld und Publicity belohnt zu werden, sucht Wien nicht den innovativsten Offstar, sondern will mit der Veranstaltung auch den zunehmenden inhaltlichen Mangel konterkarrieren. Mit Inhalten die scheinbar nur durch die Form eines Wettbewerbes Aufmerksamkeit bekommen können. Der Preis ist nicht allein Anerkennung besonders herausragender Innovationsprojekte aus dem frei agierenden Kultursektor, er ist gleichzeitig kulturpolitische Symbolhandlung. Denn wo nichts mehr ist bleibt immer noch das Ritual, das wir dankbar (am 15. April 2004) zelebrieren: And the winner is ...
Die freie Kulturszene Wiens reagiert mit dem Innovationspreis als Kommentar auf den gegenwärtigen Kulturtrend. Nach Jahren wechselvollen Kulturdiskurses sehen wir uns jetzt einer Trendwende zu verstärkter Repräsentationskultur gegenüber. Was sicher, unter anderem, durch die globalen machttektonischen Verschiebungen ausgelöst wurde.
Während Wirtschaft und Staat immer mehr finanzielle Mittel in immer größere Repräsentationsprojekte und Objekte pumpen, werden die Mittel für kleine multiplikative Unternehmungen immer strenger rationiert, gestrichen und kontrolliert. (Nicht nur in Österreich)
Gleichzeitig agiert die Kunstszene sowohl international als auch regional bis zu Mikrobereichen auf den unterschiedlichsten Ebenen und findet immer neue, unkonventionelle Wege, die nur allzu selten aufgegriffen werden. Während auf der internationalen Ebene immer mehr Hindernisse aufgestellt werden, gibt es andrerseits in kleinen urbanen Geflechten der Stadt Wien, z.B. auf Bezirksebenen, von Kulturschaffenden und politischer Akteuren intensive Bemühungen, auch kulturell relevante Aktivitäten bis hin zu internationalen Vernetzungen zu forcieren. Auch Versuche, seitens Politik und kultureller Initiativen auf Stadtebene, besser ausbalancierte Grundvoraussetzungen zu schaffen und auf zeitgenössische Entwicklungen zu reagieren, wurden und werden in regelmäßigen Abständen unternommen. Bislang konnte aber eine wirklich substanzielle Veränderung nicht verzeichnet werden. Die Diskussion dreht sich mehr oder minder im Kreis. Die globale Stagnation scheint sich durchzusetzen.

Innovation: Gegentrend statt Schlagwort
Es ist aber nicht als selbstverständlich hinzunehmen, dass, dem internationalen Materialismustrend folgend, am geistigen Gegenwarts- und Zukunftspotenzial gespart werden muss - nämlich an der Wissenschaft und Kultur hier unsinnigerweise an der freien Kunst- und Kulturszene, dem kleinsten Budgetsektor, am einschneidendsten. Einsparungsmaßnahmen sind mit verschiedensten Evaluierungsverfahren zur Feststellung der "Qualität" der Kunst- und Kulturprojekte (die bei teuren Repräsentationsvorhaben anscheinend automatisch gegeben sind) begleitet. Dem kann nur entgegnet werden, dass gute Kunst vor allem eins ist: frei. Der Freiraum für offenes Experimentieren und Kommunikation sollte, für eine demokratisch orientierte Gesellschaft, als notwendig erkannt und selbstverständlich sein.
Natürlich sind Repräsentationsvorhaben grundsätzlich legitimes Mittel jeden politischen Systems. Allerdings stehen sie in diametralem Gegensatz zum analysierenden Denkraum der nötig ist um Probleme zu definieren. Die kritische Auseinandersetzung mit dem Gegebenen ist aber Vorraussetzung für effiziente Innovation ist also notwendiger Ausgangspunkt um in verschiedenen Bereichen neue Ansätze zu finden, die in unserer glanzlosen Zeit immer notwendiger werden.
Das Ziel der Interessensgemeinschaft für (freie) Kultur in Wien war immer ein ausgewogeneres Gleichgewicht zwischen der zweifellos repräsentationsfähigen Hochkultur, die aber dadurch, dass sie sich zunehmend internationalisiert, immer weniger dazu eignet spezifische Standorte zu repräsentieren (und nebenbei bemerkt aus dem innovativen Potenzial der freien Szene schöpft) und der frei agierenden Kunst- und Kulturszene, mit den in ihr verwurzelten Kulturschaffenden, also KünstlerInnen, VeranstalterInnen, Medien, etc., zu erreichen.
Betrachten wir die Gegenwart, so scheinen wir uns wieder mehr von diesem Ziel zu entfernen. In diesem Zusammenhang ist der Innovationspreis der IG Kultur Wien, zur Zeit, einer der wenigen Rahmenaktivitäten für einen Gegentrend.

Wenn Innovation nicht nur ein Schlagwort zur Bewerbung der Stadt als Tourismusziel und Wirtschaftsstandort sein soll, müssen die Kräfte welche innovative Ideen generieren können auch ernst genommen werden. Hier liegt gerade in der sogenannten freien Szene ein enormes Entwicklungspotenzial das notorisch unterbewertet wird und dem gegenüber rein repräsentativen Unternehmungen im Kulturbereich unverhältnismässig wenig Raum zur Verfügung steht. Der Innovationspreis ist ein Schritt kurskorrigierend in den öffentlichen Aufmerksamkeitsstrom hineinzutreten.
In diesem Sinn wollen wir mit dem Innovationspreis ein Zeichen setzen und natürlich eine echte Anerkennung der in den letzten Jahren immer mehr an den Rand gedrängten freien, diskursiven Szene und ihrer ungebrochen gegen immense Schwierigkeiten kämpfenden Protagonisten, der NGO´s der ernst gemeinten Auseinadersetzung, der inhaltlich fokusierten Arbeit, und damit die Bedeutung freier Kulturprojekte in und für Wien unterstreichen.

Der Lauch in der Suppe ist nicht der Schnittlauch auf der Suppe
Symbol des Preises ist der Lauch: Das soll aber nicht nur heißen, dass, wer gewinnt kochen, oder weiter essen kann. (Schon die Ägypter des Altertums liebten den Lauch zu einem Stück Brot.) Der Lauch ist vor allem ein altes Symbol. Die Keltenkrieger trugen manchmal einen Lauchstengel an der Kopfbedeckung. Der Lauch galt, vor allem bei den Kelten, wo er auch als Wappensymbol der Walliser zu finden ist, als Aufputsch- und Kraftmittel.
In diesem Sinn wollen wir mit dem Lauch als Symbol einen stärkenden Impuls weitergeben.

Thomas J. Jelinek
(Vorsitzender d. IG Kultur Wien)  

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