Entgrenzte Räume: Wiens Stadtpolitik an der Schwelle
"Eine Stadt, die keinen Freiraum lässt für Visionen, Träume und alternative Lebenskonzepte, wird früher oder später in der totalen Immobilienbrache stagnieren."
Die aktuellen, traurigen Vorfälle um das autonome Kulturzentrum Ernst-Kirchweger-Haus am 14. Juni des Gedenkjahres 2005 haben nun auch in der Auffassung der politisch Verantwortlichen innerhalb der Stadt Wien überraschend Bewegung provoziert. In letzter Minute scheinen hochrangige Entscheidungsträger ernst zu nehmende Schritte für eine politische Lösung zu setzen.
Der Auslöser: auf Anordnung des neuen Eigentümers Christian Machowetz wurde die Eingangstür der ehemaligen Wielandschule sowie die Türen zu den Notschlafquartieren des Flughafensozialdienstes trotz bestehender Nutzungsverträge der betreffenden Organisationen brachial entfernt und bis dato entgegen den gesetzlichen Vorschriften nicht ersetzt.
Mit diesem sichtbaren Akt symbolischer Gewalt gegen Wiens letzten kulturpolitischen Freiraum dieser Art wurde hierzulande erneut eine für lange Zeit tabuisierte Schwelle in einem untragbaren Ausmaß überschritten. Er markiert aus der Sicht der IG Kultur Wien den gesellschaftlichen Wendepunkt der sensiblen Gesamtsituation rund um urbane Freiräume ohne die Zwänge von ökonomischer Produktion und ästhetischer Zensur, die bislang in der öffentlichen Wahrnehmung vorrangig vom ausbleibenden Diskurs auf Wiens stadtpolitischer Ebene gekennzeichnet war.
Dem setzt eine Kunstaktion eine 70 Kilo schwere Eisenschwelle als mobiles Überschreitungsobjekt entgegen. Die Schwelle artikuliert das bleibende menschliche Bedürfnis nach Freiräumen. Diese können weder weggeräumt noch totgeschwiegen werden. In Wien wird an Orten wie dietheater, WUK, Museumsquartier, Heldenplatz, etc. die Schwelle präsent sein und auf die Notwendigkeit urbaner Freiraumplanung, indem lebbare Alternativen entwickelt werden können, verweisen.
In diesem Zusammenhang verweisen wir auch dringlich auf eine wesentlich umfassendere Dimension, als sie ein Immobilienstreit sein kann. Vielmehr handelt es sich im Fall des EKHs - vor allem aufgrund der jüngsten Ereignisse - nicht um einen simplen Streit zwischen HausbesitzerInnen und HausnutzerInnen, sondern um eine weitgreifende kultur- wie auch soziopolitische Frage: Kulturpolitisch des Umgangs mit kulturellen Freiräumen und Alternativkonzepten; soziopolitisch Frage mit der Art des Umgangs mit den BewohnerInnen der Stadt seitens kapitalmächtigen Eignern und rechtspolitisch zwischen den unterschiedlichen Denklagern gesellschaftlicher Ordnung.
Die Schwelle wird nicht nur von der IG Kultur Wien mitgetragen sondern auch von anderen IG´s und einer täglich wachsenden Zahl von UnterstützerInnen, welche sich aus engagierten Personen aus Kunst, Wissenschaft und besorgten Bürgerinnen zusammensetzt. Ab 1. Juli 2005 in Wien.
Ankündigung
Podiumsdikussion im Rahmen der Ausstellung freibesetzt:
Räume urbaner Kulturentwicklung im 21. Jahrhundert
Wann: 8. Juli 2005, 20h
Wo: Kunsthalle Exnergasse, WUK
www.freibesetzt.tk