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Zur neuen AMS-Bundesrichtlinie

Das KuenstlerInnenservice TEAM 4 gilt als eine AMS-BBE (Betreuungs- und Beratungseinrichtung) wie einige andere Beratungseinrichtungen, die fuer das AMS taetig sind, auch. Fuer alle diese Einrichtungen gilt, dass KundInnen maximal ein Jahr in der Betreuung verbleiben duerfen. Seit letztem Jahr wurde im AMS-TEAM 4-Beirat gemeinsam mit den IGs darum verhandelt, dass dies fuer KuenstlerInnen an sich eine inadaequate Richtlinie darstellt, da der Produktions- und Erwerbsalltag in den entsprechenden Segmenten voellig anders aussieht.

Es galt die Regel, dass ein/e KuenstlerIn 1x/Jahr eine Anstellung oder bei voruebergehender selbstaendiger Taetigkeit einen Umsatz, der die Geringfuegigkeitsgrenze uebersteigt, per Jobmeldung im Vorhinein und per Nachweis einer Honorarnote bzw. Lohnbestaetigung im Nachhinein, nachweisen musste, um ueber das eine Betreuungsjahr bei TEAM 4 hinaus in ein zweites gehen zu koennen. Dies ist nun mit Einfuehrung der neuen AMS-Bundesrichtlinie "Kernprozess Arbeitskraefte unterstuetzen" am 01.02.2009 und rueckwirkend ab 01.01.2009 anders und wir halten in moeglichst breiter Oeffentlichkeit und hiermit fest, dass die neue AMS-Bundesrichtlinie "Kernprozess Arbeitskraefte unterstuetzen" eine eklatante Verschaerfung fuer die soziale Situation von KuenstlerInnen und Kulturschaffenden darstellt, die in Kombination mit dem gleichzeitigen Inkrafttreten der freiwilligen Arbeitslosenversicherung fuer Selbstaendige bereits seit ihrer Einfuehrung zu rund 550 Abmeldungen von KuenstlerInnen vom TEAM 4 gefuehrt hat!

Voellig untragbar hinsichtlich einer sozialen Absicherung von Kulturschaffenden - und dies betrifft nicht nur Theater- und Filmschaffende, sondern de facto alle Segmente kreativ-kuenstlerischer Taetigkeit, ist die nun eingetretene Verschaerfung, dass ein/e Kulturschaffende/r nur dann das Anrecht auf Verlaengerung einer Betreuung durch TEAM 4 erwirbt, wenn fuer mind. 63 Tage eine durchgehende, unselbstaendige Beschaeftigung im laufenden Kalenderjahr vorgelegt werden kann oder âĞein Einkommen aus einer voruebergehenden Erwerbstaetigkeit (selbstaendig oder unselbstaendig) ueber der Geringfuegigkeitsgrenze (357,74 Euro) an mindestens drei aufeinanderfolgenden Monaten (samt einem damit verbundenen Wegfall bzw. einer entsprechenden Verringerung des Arbeitslosengeldes in diesen drei aufeinanderfolgenden Monaten) erfolgtâĜ. (Zit.: Prokop, Sabine: IG Freie Theaterarbeit: Aktuelle Neuerungen bei Team 4 und AMS. Bericht von der Infoveranstaltung fuer Mitglieder der IGFT, am 19.03.2009, Wien 2009)

Ist jemand beim AMS als durchgehend freiberuflich taetig eingestuft und muss per jeweilig 7. des Folgemonats Umsatz und Gewinn angeben, ergibt sich mit der neuen Richtlinie folgende Fatalitaet: Der Gewinn eines Monats, in dem man etwaig schon Arbeitslosenunterstuetzung oder Notstandshilfe zurueckzahlen musste, weil der Gewinn in diesem Monat hoeher lag als die Bezugsberechtigung beim AMS, wirkt sich im Monat darauf noch immer und insofern aus, wenn z.B. ein Gewinn gemacht wird, der niedriger ist als die Bezugsberechtigung (was ja normalerweise bedeutet, dass man nach wie vor bezugsberechtigt ist). Allerdings greift hier das so genannte rollierende Verfahren: Die beiden Gewinnsummen werden zusammengezaehlt. Der Durchschnitt wird berechnet und, wenn dieser ueber der Bezugsberechtigung liegt, verliert man auch im zweiten Monat die finanzielle Unterstuetzung des AMS! Dies kann letztlich alle Monate des Kalenderjahres betreffen.

Muss man also zum einen drei Monate fuer eine Verlaengerung bei TEAM 4 nachweisen (was keinerlei Zusammenhang mit der Berechnung von Bezugsberechtigungen hat), riskiert man gleichzeitig mit hoher Wahrscheinlichkeit einen tatsaechlichen Verlust von Bezugsberechtigung beim AMS! Dies ist schlicht und einfach untragbar und stellt eine schwere Diskriminierung von Kulturschaffenden gegenueber allen anderen arbeitslos gemeldeten Personen dar! Und auch viel allgemeiner gesprochen: unselbstaendige Beschaeftigungsverhaeltnisse in kuenstlerischen Berufen koennen de facto als atypisch bezeichnet werden und liegen nur marginal vor. Die Bedingung, in drei direkt aufeinanderfolgenden Monaten Honorarnoten und damit Umsaetze nachweisen zu muessen, die eine Geringfuegigkeitsgrenze uebersteigen, stellt an sich fuer die grosse Mehrheit von KuenstlerInnen im Regelfall eine voellige Unmoeglichkeit dar!

Nicht zuletzt bestehen auch Unklarheiten im Entwurf der Richtlinie, die in einem finanztechnischen Alltag ebenfalls direkt in die Prekaritaet fuehren kann und de facto Rechte aberkennt und die freiberufliche Taetigkeit im Vergleich zu unselbstaendigen Beschaeftigungsverhaeltnissen weiter diskriminiert: so bezeichnet eine Honorarnote lt. steuerrechtlicher Definition kein Einkommen, denn das waere ein Gewinn, sondern lediglich einen Umsatz. Hier ist der Terminus VORUEBERGEHENDE im Unterschied zu DURCHGEHENDE Taetigkeit nochmals ausschlaggebend: ist man beim AMS als durchgehend freiberuflich taetig eingestuft, hat man das Recht, monatlich ueber Euro 1700 Umsatz zu erwirtschaften und es erhaelt sich weiterhin der Anspruch auf Arbeitslosenunterstuetzung bzw. Notstandshilfe, solange gewinnseitig die Geringfuegigkeitsgrenze nicht Ueberschritten wird. Ist man als âĞvoruebergehendâĜ eingestuft, entfaellt dieses Recht, der Umsatz wird als Berechnungsgrundlage herangezogen. Somit ist diese Regelung schaerfer als eine steuerrechtliche, wo das Recht besteht, Ausgaben geltend machen zu koennen.

Das ist leider noch immer nicht alles: ist man als durchgehend eingestuft, stellt die endgueltige Beurteilungsgrundlage die Einkommensteuererklaerung dar. So werden sich wohl einige veranlasst sehen muessen, aufgrund der AMS-Regelungen beim Finanzamt eine Steuernummer zu beantragen, selbst wenn das Einkommen so niedrig ist, dass diese Pflicht beim Finanzamt selbst entfallen wuerde.

Und: wird im Kalenderjahr, auch nach Abmeldung von Arbeitslosigkeit oder Notstand, ein Jahresgewinn erzielt, der ueber der jaehrlichen Geringfuegigkeitsgrenze liegt, ist fuer die Monate, in denen Arbeitslosenunterstuetzung oder Notstandshilfe bezogen wurde, zurueckzuerstatten.

Wir ersuchen die Presse, sich dieser Thematik intensiv zu widmen, und alle Kulturschaffenden und in dem Feld taetigen Initiativen, sich des Themas aktiv anzunehmen, eigene Schritte zur oeffentlichen und strategischen Bewusstmachung dieser Problematik zu setzen und mit uns eine Allianz zu bilden.

Die neue Richtlinie ist nicht nur ungenuegend durchdacht, sie ist fuer alle Kulturschaffenden untragbar. Innerhalb von nur rund sechs Wochen haben Kulturschaffende bereits katastrophale Auswirkungen aus diesem praxisfernen Modell erlitten, und de facto greift hier langfristig eine Planung, die eine weitere Existenzbedrohung fuer Kulturschaffende ist und zudem darauf abzuzielen scheint, das Berufsbild KuenstlerIn mehr und mehr zu untergraben. Wir fragen uns: Ist der Eindruck richtig, dass das Klima fuer Intellektuelle und KuenstlerInnen wieder einmal, und um einen aktuellen Schritt mehr, der Luft zum Atmen beraubt ist?

Organisationen, Verbaende und Vereine rufen wir aktuell und erneut zur Unterzeichnung der Petition zur umgehenden Aenderung der AMS-Bundesrichtlinie "Kernprozess Arbeitskraefte unterstuetzen" und Beruecksichtigung der Realitaeten kuenstlerischer Arbeit in der Novelle des Arbeitslosenversicherungsgesetzes (AlVG) des Kulturrats Oesterreich auf. Einzelne Kulturschaffende ersuchen wir, sich der Petition im Rahmen von Vereinen anzuschliessen und das Thema in eigenen Veroeffentlichungen aufzugreifen!

Die Forderungen der Petition zum Nachlesen unter:
http://www.freietheater.at/?page=index&detail=2
http://www.kulturrat.at/agenda/ams/petition09

Eine Unterzeichnung ist mit einem einfachen Email an contact@kulturrat.at moeglich.
02.04.2009


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